Interview mit Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten
31.05.2022
The Unique: Wie hat sich der Schwerpunkt Landschaftsarchitektur bei Ihnen ergeben?
Rainer Schmidt: „Ursprünglich war ich als Jugendlicher im Naturschutz tätig. Als Fahrradstreife im Naturschutzgebiet wurden Standorte von geschützten Pflanzen, wie Frauenschuh, Enzian und Taglilien vor Zerstörungen und Vandalismus geschützt. Bei einem Ausflug zur Litzauer Lechschleife vom Fluss Lech, der von starkem Gefälle geprägt und zur Energiegewinnung mit Staustufen aufgestaut ist, wurde die Wasserenergie thematisiert – und dass es nur wenige Landschaftsarchitekten gibt, die die Rückeingliederung der Aufstauungen in die Landschaft gut umsetzen. Hier wurde bereits mein Interesse für die Landschaftsarchitektur geweckt. Um den Studiengang Landschaftsarchitektur anzutreten, den es damals nur an wenigen Standorten in Deutschland gab, absolvierte ich als Voraussetzung erst eine Lehre im Garten- und Landschaftsbau, zum Landschaftsgärtner, und studierte anschließend 4 Jahre Landschaftsarchitektur. Parallel arbeitete ich in einem Büro für Landschaftsarchitektur. Als Landschaftsarchitekt und Stadtplaner planen wir heute als Büro Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten eine Vielfalt an Freiräumen: vom Park, Flughafen, Krankenhaus oder Universitätscampus bis hin zu städtebaulichen Masterplänen oder sogar Konzepte für eine neue Stadt.“
The Unique: Worin unterscheidet sich der Landschaftsarchitekt von einem Garten- und Landschaftsbauer?
Rainer Schmidt: „Die Branche des Garten- und Landschaftsbauers ist in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen. Hier liegt der Fokus auf der Ausführung aller Arbeiten rund um die Außenanlage: Erdbau- und Pflasterarbeiten, Wegebau, Pflanzarbeiten, Rasen anlegen. Aber auch die Pflege zählt zu den Arbeiten des Garten- und Landschaftsbauers. In der Landschaftsarchitektur hingegen geht es um die Planung. Der Landschaftsarchitekt ist überwiegend im Büro und entwickelt Konzepte und Visionen für ein Gebiet. Ziel des Landschaftsarchitekten ist es, durch die Gestaltung der Freianlagen einen Mehrwert des jeweiligen Projektes für den Nutzer zu entwickeln. Heutzutage ist es wichtig, dass Außenanlagen einen Ausgleich zwischen Arbeit und Erholung schaffen. Dies gelingt, indem der Landschaftsarchitekt über Formen, Material und innovative Pflanzen eine Atmosphäre für den Nutzer konzipiert, die seine Wahrnehmung von der Natur beeinflusst.“
The Unique: Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit in der Landschaftsarchitektur?
Rainer Schmidt: „Die Nachhaltigkeit spielt heutzutage in der Landschaftsarchitektur eine große Rolle. Ich betrachte gerne drei Aspekte, die bei der Landschaftsarchitektur in Betracht gezogen werden sollten: Der erste Aspekt ist, dass Außenanlagen langfristig sind. Wenn wir eine Außenanlage planen, dann berücksichtigen wir, dass die Anlage auch in 20 – 30 Jahren noch gut aussehen soll. Nur mit einer geeigneten Qualität kann der Mehrwert, den die Außenanlage für den Nutzer haben soll, auch in der Zukunft erhalten bleiben. Zweiter Aspekt ist die Ökologie, denn die Landschaftsarchitektur leistet auch einen großen klimatischen Beitrag. Natürlich werden bei der Planung einer Außenanlage viele ökologische Aspekte berücksichtigt. So kann ich als Landschaftsarchitekt z.B. mit der Planung einer Dachbegrünung für eine verzögerte Verwässerung sorgen, einen dauerhaften Lebensraum für Tiere und Pflanzen schaffen und dem Nutzer sogar bei der Energieeinsparung helfen, da eine Dachbegrünung das Aufheizen des Gebäudes reduziert und das Kleinklima verbessert. Damit wird auch der dritte Aspekt aufgegriffen. Die Außenanlage soll der Natur und dem Nutzer etwas zurückgeben. Hier geht es z.B. um das Bodenmanagement: Beim Bau der Außenanlage sollte aus Nachhaltigkeitsgründen ausreichend Rohboden wiederverwendet werden. Die Pflanzung von Bäumen und Sträuchern ist wichtig, da die Pflanzungen CO2 binden und damit die CO2-Belastung senken, das Klima wird durch Frischluftentstehungsgebiete verbessert. Möglichkeiten, Räume für Erholung und soziale Kontakte, Kommunikation werden geschaffen. All diese Faktoren werden in der Landschaftsarchitektur bereits bei der Konzeptentwicklung für ein Gebiet berücksichtigt.“
The Unique: Wie wird der großzügige Innenhof des Bauvorhabens The Unique gestaltet? Wird auch das angrenzende Naturschutzgebiet eingebunden? Was ist die Besonderheit an The Unique?
Rainer Schmidt: „The Unique ist gekennzeichnet durch eine hohe und dichte Bebauung. Einzigartig ist die Lage direkt am Naturschutzgebiet. Die U-Form des Gebäudeensembles öffnet sich zum angrenzenden Biotop und lenkt den Blick in das Naturschutzgebiet, das mit seiner frischen Luft und dem Tümpel einen natürlichen Ausgleich schafft. Im Außen- und Eingangsbereich entlang der beiden Gebäude blühen Hortensien und Gräser fast ganzjährig und bilden so ein weißes Band, das sich um die Gebäude legt. Einen Gegenpol zum Gebäude bildet der Innenhof mit seinem organischen Wegesystem. Bepflanzt mit blühenden Stauden und Gräsern bekommt er einen Gartencharakter und schafft sowohl einen Lebens- als auch einen Arbeitsraum im Freien. Die Sitzmöglichkeiten zwischen den Pflanzungen ermöglichen einen Aufenthalt sowohl zur Entspannung in der Mittagspause, als auch zur Arbeit mit dem Laptop oder für Meetings in der Natur. Eben dieser Innenhofgarten macht das Projekt so besonders, da er Gebäude und Naturschutzgebiet miteinander verbindet. Da es etwas tiefer gelegen ist, hat man vom Innenhof einen tollen Blick ins Biotop. Zudem wird die Geometrie der Wegeführung des Innenhofs auch auf die Dachbegrünung des Gebäudeensembles übertragen und schafft eine Einheit zwischen Gebäude und Natur. Damit bekommt das Unique eine grüne Identität und einen Wiedererkennungswert, den man sogar im Anflug an den BER vom Flugzeug aus sehen kann.“