Büroimmobilien werden zu
„Human Centered Offices“
19.01.2022
Büros werden benötigt, auch wenn sie seit Corona vermehrt hybride Arbeitsmodelle integrieren müssen (finanzwelt berichtete). Jasmin Samiri, Geschäftsführerin der Unique Invest GmbH & Co. KG, zeigt nun, wie Büroimmobilien heute bedarfsgerecht und wirtschaftlich realisiert werden können und erläutert, worum es beim sogenannten „Human Centered Office“ geht.
finanzwelt: Frau Samiri, wie steht es um die Büroimmobilie nach und unter Corona?
Jasmin Samiri: „Folgt man der aktuellen 5-%-Studie von bulwiengesa, ist das Interesse von Investoren an Büroimmobilien weiterhin hoch, trotz geringerer Renditeerwartung. Potenziale liegen aus unserer Sicht vorrangig im Neubau, da hier von vornherein bedarfsgerecht geplant werden kann. Corona hat gezeigt, dass offene und digitalisierte Bürostrukturen sich auszahlen, da man sich schneller an veränderte Markt- und Betriebsbedingungen anpassen kann. Der Trend zu einer Verdichtung der Flächen, wie wir es vor Corona gesehen haben, ist aus heutiger Sicht differenzierter zu betrachten. Gerade die größeren Flächenkapazitäten haben sich als vorteilhaft erwiesen, um Hygiene-Konzepte umzusetzen.“
finanzwelt: Viele Firmen wollen den Flächenbedarf inzwischen gar nicht mehr reduzieren. Im Gegenteil, sie möchten ihre Mitarbeiter wieder in den Büros haben.
Samiri: „Ja, aber auch vielen Mitarbeitern fehlten die sozialen Kontakte und die konzentrierte Arbeitsatmosphäre im Unternehmen. Laut einer Studie von Softgarden möchten überhaupt nur 8 % ausschließlich zu Hause arbeiten. Gleichzeitig wünschen sich laut aktueller PwC-Studie 78 % mehr Homeoffice. Es geht also letztlich um mehr Flexibilität. Für die Unternehmen bedeutet dies, ihre Prozesse so anzupassen, dass sie die Produktivität ihrer Belegschaft optimieren. Das heißt ‚unternehmensverträgliches‘ Homeoffice zu ermöglichen und eine kosteneffiziente Flächennutzung sicherzustellen. Angesichts steigender Energiepreise ist das umso wichtiger.“
finanzwelt: Welche Art von Büroimmobilien braucht es?
Samiri: „Weiterhin ist eine zentrale Lage der Immobilie wichtig, aber nicht nur die klassischen Core-Lagen in den Innenstädten. Businessparks und verkehrstechnisch bestens angebundene Standorte werden besonders attraktiv, da hier noch vergleichsweise günstige Mieten um 15 Euro/m² realisierbar sind. Das trägt zur Kostenoptimierung in den Unternehmen bei. Auch wird es nicht ausreichen, flexible Büroflächen zu schaffen. Die Räume müssen darüber hinaus stärker auf die Bedürfnisse der in ihnen arbeitenden Menschen zugeschnitten sein. Es braucht mehr Homeoffice-Qualitäten im Office, also variable und offene Arbeitsräume, Treffpunkte auf der Etage, im Entree und auf dem Campus, Gastronomie und Einkaufsmöglichkeiten…“
finanzwelt: Wird das schon umgesetzt?
Samiri: „Wenn man mit Marktbeobachtern spricht oder aktuelle Projekte anschaut, stellt man fest, dass die Themen ‚Wohlbefinden und Gesundheit‘, ‚Teamarbeit‘, ‚Mitarbeiterbindung‘ und ‚Umwelt‘ eine große Rolle bei der Planung neuer Büroimmobilien spielen. Die Frage ist, was steht eigentlich dahinter? Einen treffenden Begriff, der sich durchgesetzt hat, gibt es noch nicht. JLL spricht etwa von ‚regenerativem Workplace‘. Das passt gut, aber greift vielleicht etwas kurz. Wir bevorzugen den Begriff ‚Human Centered Office‘.“
finanzwelt: Und was bedeutet „Human Centered“?
Samiri: „Human Centered ist ein Fachbegriff aus der Produktentwicklung, dem ‚Human Centered Design‘. Bei diesem ‚menschzentrierten Design‘ geht es darum, interaktive Systeme zu entwickeln und sich dazu sehr eingehend auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Nutzer zu konzentrieren. Der Mensch wird zum Maß der Gestaltung. Daraus entwickelte sich der ‚Human Centered Workplace‘ für eine ganzheitlich durchdachte Büroplanung und –ausstattung, die Anbieter wie Wilkhahn schon länger umsetzen. Das lässt sich auch auf die Büroimmobilie übertragen. Die Planung richtet sich dann konsequent an vier Gesichtspunkten aus: Individualität, Kollaboration, Corporate Identity und ‚Purpose‘ – Ziele, die auch der Allgemeinheit zugutekommen. Die Büroimmobilie fördert danach neben dem Wohlbefinden des Individuums die Qualität der Zusammenarbeit, vermittelt Firmenidentität und wird sozialen wie ökologischen Zielen gerecht.“
finanzwelt: Welche Vorteile hat das für den Büromieter?
Samiri: „Studien haben gezeigt, dass sich die Produktivität durch Wohlbefinden verbessert und der Krankenstand verringert werden kann. Wichtig ist heute vor allem, dass ein solches Objekt beim Mitarbeiter-Recruiting punktet und attraktive Alternativen zum Homeoffice bietet.“
finanzwelt: Sie haben 2021 selbst ein entsprechendes Büroprojekt gestartet. Wie hat sich Corona hier ausgewirkt und was daran ist „Human Centered“?
Samiri: „Corona hatte nur bedingt Einfluss, weil unser Konzept den Anforderungen der Pandemie schon entgegen kam. Bereits vor 2020 hat man immer ganzheitlicher gedacht, soziale und regenerative Aspekte integriert oder digitale Möglichkeiten genutzt, um Arbeitsort und -zeit flexibler zu gestalten. Corona hat diese Tendenzen nur deutlich verstärkt, vor allem beim Aspekt Gesundheit und beim Einsatz digitaler Steuerungs- und Arbeitsprozesse. Was wir nach der Corona-Erfahrung bei unserem Projekt ‚The Unique‘ am Berliner Airport verändert haben, ist, dass Raumaufteilungen über Trennwände und Schiebetüren sowie firmeneigene Belüftungssysteme besser integrierbar sind und ein digitales Controlling beim Gebäudezutritt möglich ist. Außerdem bieten wir Ausstattungsvorschläge als ‚Human Centered Workspace‘.“
finanzwelt: Können Sie beispielhaft erläutern, wie das umgesetzt wird?
Samiri: „Es ging darum, mehr Räume für unterschiedliche Zwecke nutzbar zu machen, den Menschen zu befähigen, seine Umgebung jederzeit für individuelle Zwecke zu ‚gebrauchen‘ oder nach Bedarf zu verändern. Deshalb gibt es offene Grundrisse und viele Sitzgelegenheiten auf dem gesamten Gelände, inklusive Steckdosen im Freien. Eine variierbare Raumaufteilung kann zum Beispiel durch hochflexibles Mobiliar gestützt werden: durch Thinktank-Sofas oder Sitzkuben wie auf Messen. Vielseitig anwendbar ist auch die sogenannte ‚Dancing Wall‘, eine Trennwand, die nach Bedarf als Pinnwand, Regalfläche mit Screen oder Garderobe genutzt werden kann. Zum Aspekt der Regeneration gehören Spazier- und Trimmpfad hinter dem Haus, ‚Urban Gardening‘ und die grün gestalteten Außenbereiche.“
finanzwelt: Wie sind die übergeordneten ökologischen und sozialen Anforderungen berücksichtigt worden?
Samiri: „Dazu zählen die angestrebte DGNB-Gold-Zertifizierung, der Einsatz natürlicher Materialien und das Mobilitätskonzept mit hauseigenem E-Roller-Verleih. Die kommunikative Mitte von The Unique ist ein Serviced Apartmenthaus, in dem Geschäftsreisende oder Mitarbeiter temporär wohnen und arbeiten können. Betreiber des Hauses ist ipartment. Hier befindet sich ein moderner Loungebereich für Konferenzen, Meetings, Pausen und Erholung, darüber hinaus Co-Working-Optionen und kulinarische Angebote. Diese sind von öffentlichem Interesse, da die Angebote auch Anwohnern, Einheimischen, Reisenden und Touristen offenstehen.“
Das Interview erschien zuerst auf finanzwelt.de